INTERVIEW: Attack on Titan Mangaka Hajime Isayama spricht über das Ende der Reihe, Game of Thrones und mehr
Crunchyroll News hat Hajime Isayama auf der Anime NYC interviewt!

Zur Freude der Fans aus dem ganzen Land begrüßte die Anime NYC den preisgekrönten Attack on Titan-Schöpfer Hajime Isayama als Ehrengast bei seinem allerersten Besuch in den Vereinigten Staaten.
Isayama sprach offen über seine Angst, nach dem „kontroversen“ Abschluss seiner Reihe die Fans zu treffen und mit ihnen zu sprechen. Dennoch wurde der Schöpfer auf der Bühne seines Kodansha-Panels mit tosendem Applaus und später mit Standing Ovationens in einer bis auf den letzten Platz gefüllten Veranstaltungshalle begrüßt. Auf die Frage, wie er die Geschichte von Attack on Titan entwickelt hat, antwortete Isayama: „Ich habe immer noch Zweifel an mir selbst. Habe ich es geschafft? Ich bin mir da nicht einmal so sicher. Ich kämpfe immer noch mit diesem Punkt und das tut mir sehr leid.“
Die Reaktion des Publikums war das Gegenteil. Tausende von Fans bejubelten ihn und sprachen ihm Mut zu.
„Ich versuche, nicht zu weinen“, lächelte Isayama und wischte sich über die Augen, als der Beifall abebbte. Dies entlockte dem Publikum eine letzte Zugabe der Herzlichkeit.
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— Kodansha USA (@KodanshaManga) November 20, 2022
In einer speziellen Nachricht an die Fans vor seinem Besuch sagte Isayama, dass viele der Themen in Attack on Titan stark von amerikanischen Medien und der amerikanischen Kultur inspiriert seien und dass dies eine Reise sei, von der er schon immer geträumt habe. Am Tag vor dem Kodansha-Panel hatte Crunchyroll das Vergnügen, sich mit Isayama für einen Moment seines prall gefüllten Terminkalenders für ein persönliches Interview zusammenzusetzen.
Nach dem Zeitsprung und der Einführung von Marley verschwindet Eren für einige Zeit aus dem Rampenlicht. Was war Ihre Absicht, Eren zu diesem Zeitpunkt der Erzählung zu streichen?
Isayama: Das ist eigentlich etwas, was ich als Geschichtenerzähler schon immer machen wollte. Zuerst haben wir keine Informationen über die Charaktere, mit denen wir vertraut sind, und wechseln die Perspektive auf die Seite des Feindes – oder desjenigen, den wir für einen Feind halten – und beginnen, auch dessen Perspektive zu erkunden.
Und dann, genau zu dem Zeitpunkt, an dem wir anfangen, uns mit ihrer Sichtweise vertraut zu machen und zu sympathisieren, stellen wir die Hauptfiguren als ihre Feinde vor. Wie ich mich dabei fühlen würde und wie das Publikum sich dabei fühlen würde, lag irgendwie außerhalb meiner Kontrolle, aber es war immer etwas, das ich tun wollte und vorhatte zu tun.
Was hätte Eren wohl getan, wenn er nie dem Aufklärungstrupp beigetreten wäre? Wenn es ihm vor all den Jahren nie gelungen wäre, die manipulierte ODM-Ausrüstung zu meistern. Was würde er dann tun?
Isayama: Ich glaube, Eren hätte ein mieses Leben gehabt. Er hätte ein unerfülltes Leben geführt, um ehrlich zu sein. Und da er sich in Paradis befand, wäre er wahrscheinlich weiterhin unterdrückt und möglicherweise einfach ausgelöscht worden, ohne dass er etwas dagegen hätte unternehmen können. Oder er hätte gelebt, ohne zu wissen, dass sein Ende bald kommen würde. Vielleicht hätte er einfach die 13 Jahre vor sich hin gelebt.
Die Welt von Attack on Titan ist riesig, aber in welcher Sprache kommunizieren die Figuren Ihrer Meinung nach?
Isayama: Ich denke, sie würden in einer Sprache sprechen, die in der Welt als universelle Sprache angesehen wird. Ein guter Vergleich im wirklichen Leben wäre Englisch, aber das hat mit der Geschichte der Unterdrückung und Kolonialisierung zu tun. Die stärkste Sprache würde in dieser Welt zur universellen Sprache werden.
Ankündigungen von Isayamas Besuch waren überall in der Stadt zu finden –
von der U-Bahn über Straßenplakate bis hin zu Taxis. (Foto: Leah President)
Zu Beginn von Band 5, in der Nebengeschichte „Ilses Notizbuch“, kann der Titan, dem Ilse begegnet, sprechen, was für die meisten Titanen ungewöhnlich ist. War dieser Titan deshalb von königlichem Blut oder was war das Besondere an ihm?
Isayama: Als ich diese Frage erhielt, dachte ich: „Das wäre ein toller Plot gewesen“. Es ist eine großartige Idee.
Werden wir das also in der Zukunft herausfinden?
Isayama: Gerade am Anfang habe ich mich damit beschäftigt, die Idee der Titanen zu entwickeln. Es gibt normale Titanen und es gibt abnormale Titanen. Normale Titanen waren für mich so etwas wie programmierte Wesen, und einige von ihnen enthielten einen „Glitch“, so etwas wie einen defekten Gegenstand aus einer Fabrik. Mehr habe ich beim Schreiben der Geschichte nicht über diesen Titanen nachgedacht.
Gab es Aspekte der Geschichte, die Sie gerne nach dem Abschluss der Reihe geändert hätten?
Isayama: Also, eigentlich gibt es da eine Menge. Immer wenn ich auf die Geschichte zurückblicke, die ich geschrieben habe, fallen mir so viele Dinge ein, die ich gerne anders gemacht hätte. Es ist fast schwer, genau zu benennen, was das war. Jedes Mal, wenn ich auf meine Reihe zurückblicke, fühle ich Reue und Bedauern.
Wie haben Sie sich persönlich seit Band 1 verändert?
Isayama: Ich hatte große Schwierigkeiten, mit anderen Menschen zu kommunizieren, als ich mit dem Schreiben des Manga begann. Das war eigentlich einer der Beweggründe, diese Geschichte zu schreiben. Aber jetzt bin ich älter und vielleicht auch reifer geworden … Ich habe mich seit damals ganz schön verändert.
Planen Sie weitere Spin-offs oder haben Sie das Gefühl, dass Sie bereits so viel von Attack on Titan erzählt haben, wie Sie konnten?
Isayama: Ich habe gegenwärtig keine Pläne diesbezüglich.
Können wir weitere Hintergrundgeschichten für Figuren wie Hanji und die ursprünglichen Mitglieder von Levis Trupp erwarten?
Isayama: Was Levi betrifft, so habe ich tatsächlich etwas im Kopf. Aber gleichzeitig weiß ich nicht, ob ich in der Lage sein werde, es zu schreiben oder nicht.
Darf ich fragen, was Sie damit meinen?
Isayama: Ich habe mir unter anderem die Geschichte von Levi im Kopf ausgemalt, aber ob ich sie auch umsetzen kann, ist eine ganz andere Geschichte. Einen Manga zu schreiben, ist für mich eine wirklich schwierige Aufgabe.
Gab es einen Grund dafür, dass Sie in Attack on Titan von romantischen Themen abgewichen sind?
Isayama: Zum einen war es mir peinlich, über die Liebe zwischen Figuren zu schreiben. Der andere Grund ist, dass man den Fokus auf die unmittelbare Haupthandlung der Geschichte hätte verlieren könnte, wenn ich mich mit dieser Art von Nebensträngen befasst hätte. Ich war also nicht wirklich motiviert, diese Möglichkeit zu erkunden.
Sie sind ein Fan von Horrorfilmen wie It Follows und Hereditary. Können wir in Zukunft vielleicht eine Horrorgeschichte von Ihnen erwarten?
Isayama: Als Manga? Vielleicht würde ich mich nicht unbedingt in den Bereich des Horrors begeben, aber ich mag die Filme an sich. Vielleicht als Spielfilm. Und das ist ein Vielleicht. Es ist aber nicht so, dass ich bei dem Film Regie führen möchte oder so. Es ist eher so, dass ich mir, wenn ich diese Filme sehe, denke: „Ich kann diese Geschichten noch gruseliger gestalten.“
Fans schrieben Botschaften an Isayama und hingen sie bei Kodanshas Stand auf.
(Foto: Leah President)
Sie sind ein beträchtlicher Game of Thrones-Fan. Was halten Sie von der neuen Serie House of the Dragon? Haben Sie eine Lieblingsfigur?
Isayama: Ich habe die gesamte erste Staffel gesehen und empfand sie als wirklich gut. Selbst im Vergleich zur ersten Staffel von Game of Thrones war sie gut gemacht. Ich mag Aemond Targaryan. Ich finde, das Gesicht dieser Figur sieht wirklich gut aus, so als Schauspieler.
Und das Finale!?
Isayama: Ich habe es mit meiner Frau angeschaut, und sie steht nicht so sehr auf blutige Szenen, also hat sie weggeschaut. Deswegen fragte sie: „Oh, was ist passiert?“ [Ich sagte] „Oh, du hast es nicht gesehen? Hier, ich spule für dich zurück!“. Sie wurde richtig wütend auf mich.
Inwieweit haben Sie sich beim Schreiben von Attack on Titan von historischen Ereignissen inspirieren lassen, und wie haben Sie sich als Autor davon beeinflussen lassen?
Isayama: Ich denke, dass eine Geschichte sehr glaubwürdig wird, wenn sie einen Hauch von Wahrheit enthält. Als ich das Design der Welt entwickelte – zum Beispiel die Karte –, habe ich sie von der realen Weltkarte auf etwas Ähnliches, aber anderes übertragen. Die Leute sind damit in der Lage, den Zusammenhang zu verstehen, ohne alles erklärt bekommen zu müssen. Ein Beispiel: Eldia und Marley. Sie ähneln dem, was die Germanen und Römer vor 2.000 Jahren durchgemacht haben. Das sind sozusagen die unausgesprochenen Regeln, die ich in meinen Geschichten beibehalte.
Dieses Interview wurde mithilfe von Misaki Kido, einer Übersetzerin, Moderatorin und Marketingleiterin von Kodansha USA, geführt.
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Original Artikel von Leah President. Übersetzt von Melanie Höpfler.
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Melanie Höpfler arbeitet als Chefredakteurin für Crunchyroll Deutschland. Sie liebt die Genre Boys Love und Sport über alles. Außerdem hat sie eine große Schwäche für japanische Synchronsprecher, wie ihr auf ihrem Twitter @melopf25 sehen werdet.